Martin Neumann's Blog

Fühle Dich voll.

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Fühle Dich voll!

Dieser Imperativ scheint in unserer Welt der Völlerei etwas unangebracht. Es geht jedoch nicht ums Essen. Es geht um dein Gefühl der Fülle. Quasi um das Fülle-Gefühl nicht das Völlegefühl.

Kennst Du das Gefühl nicht genug zu haben? Nicht genug Anerkennung. Nicht genug Zeit. Nicht genug Liebe und Zuneigung.
Oder das Gefühl zuviel zu haben? Zu viel Stress. Zu viele Aufgaben.

Das Resultat? Ein permanentes Gefühl etwas machen zu müssen, etwas zu wollen, etwas zu wünschen, etwas zu verbessern, etwas zu ändern, etwas sein zu lassen, etwas zu geben, etwas zu brauchen.

Woher kommt das?

  • Im Laufe unserer Evolution haben wir drei Stufen an Bedürfnissen entwickelt. Das Bedürfnis nach Sicherheit. Dafür sorgt unser Reptilienhirn. Das Bedürfnis nach Belohnung und Anerkennung. Dafür sorgt unser Säugetierhirn. Das Bedürfnis nach Gemeinsamkeit. Dafür sorgt unser Primatenhirn. Diese Bedürfnisse sind also im Laufe der Evolution hart in unserem Kopf verdrahtet worden. Es also nichts „falsches“ daran, diese Bedürfnisse ständig oder zumindest oft zu spüren. Du funktionierst einwandfrei im Rahmen der normalen Parameter 😉
  • Wir werden ständig mit Botschaften bombadiert, die genau auf diese Bedürfnisse zielen. Kauf dir einen Schutzengel bei der Versicherung (und Du musst keine Angst mehr haben…). Kauf dir den Sportwagen (und deine Freunde werden große Augen machen…). Schenke Deiner Familie den Urlaub im Club (und deine Kinder werden dich ganz doll liebhaben…). Kauf dir dieses Gesundheits- und Schönheitsprodukt (und Du wirst so toll aussehen, wie die im Fernsehen…)
  • In unserer Jugend mussten wir alle durch eine Phase der Unsicherheit. Wer sind wir? Wo ist unser Platz in dieser Welt? Was kann ich? Und oft erlebten wir während dieser Phase besonders intensiv das Gefühl von Scham und Getrenntsein.

Der klassische Ansatz dagegen ist „holding back the river“ – halte den Fluss auf. Mach ein Zeitmanagement-Seminar. Lerne Dich selbst zu achten. Lass Dich in Stress-Reduktions-Achtsamkeit coachen. Räume deinen Schreibtisch auf. Strukturiere deine Woche. Mach mehr Sport. Sieh einfach besser aus. Das macht Sinn und hat seinen Wert, aber wenn etwas Grundsätzliches nicht stimmt, ist es vergeblich, den Fluss aufhalten zu wollen. Du kannst einen Fluss nicht aufhalten. Zumindest nicht für längere Zeit. Versuche es erst gar nicht. Es ist als wolltest Du ein Fass ohne Boden oder eine Tasse mit einem Loch füllen. Egal, wie viel Du hinein gibst, sie wird nicht voll.

Alle großen spirituellen Meister haben uns gelehrt, dass es aussichtslos ist, etwas besitzen zu wollen, an etwas zu haften, etwas zu begehren, glauben etwas erreichen zu müssen. Nenne es die Wahrheit der Aussichtslosigkeit.

Diese Wahrheit wirkt gleichzeitig frustrierend und befreiend auf mich. Kann ich wirklich nichts machen? Ist es wirklich so aussichtslos, all den interessanten und schönen Dingen hinterherzulaufen? Und doch: mit einem Seufzen befreit es mich von dem Zwang immer etwas wollen zu müssen.

Es steckt noch eine andere Wahrheit in der Lehre der Weisen, welche vielleicht nicht so offensichtlich hervortritt: das „Hinter her rennen“ ist unnötig. Dass eine Verhaltensweise aussichtslos ist, könnte ja immer noch bedeuten, dass das mit ihr verfolgte Ziel sinnvoll ist. Das ist in diesem Fall nicht so. Es ist aussichtslos, weil es unnötig ist, denn der damit vermeintliche verfolgte Zweck ist ohne Sinn. Nenne es die Wahrheit der Zwecklosigkeit.

Warum ist es zwecklos? Überraschung! Die Tasse ist nämlich bereits voll 😉

Das kannst Du Dir mit einer kleinen Übung täglich mehrfach vergegenwärtigen. Werde Dir bewusst, welche Fülle Dich bereits umgibt. Was ist Dir besonders wichtig? Hast Du das, was Dir wichtig ist bereits, oder musst Du es erst erreichen?

Das bedeutet nicht, dass Du die Hände in den Schoß legen und nichts mehr tun sollst. Für mich heisst das ganz konkret: ich arbeite mit viel Enthusiasmus, Energie und Zeit am Stargazer. Mein Ziel ist es, ihn fertig zu machen, zu sehen, wie er anderen Menschen Freude bringt. Dennoch werde ich mir täglich mehrfach bewusst, dass das Schaffen, das im Fluss bei der Arbeit sein das Wesentliche, das Glück ist. Auch bei meinen sonstigen Aufgaben und Tätigkeit sage ich mir das häufig.

Werde Dir der Antreiber bewusst. Deine Natur sagt „Pass immer gut auf, damit Dir nichts passiert.“, die Werbung sagt „Du brauchst neue Schuhe, ein neues Auto, eine glattere Haut, glücklichere Kinder.“, einige böse Erfahrungen aus der Vergangenheit flüstern Dir ins Ohr „Du bist nicht gut genug. Das kannst Du nicht. Du bist es nicht wert, bedingungslos geliebt zu werden.“.

Durchschaue die Lügen dieser Antreiber. Frage Dich „Droht mir jetzt in diesem Augenblick Gefahr? Gibt es irgendetwas dringendes und wichtiges was genau jetzt getan werden muss, um Gefahren abzuwenden?“ Meist wirst Du gewahr, dass Du sicher und geborgen bist, ein warmes Heim hast, genug zu Essen, und in einer sichere Umgebung lebst. Frage Dich „Brauche ich wirklich neue Schuhe? Ein neues Auto? Eine glattere Haut?“ Meist wirst Du gewahr, dass es auch schön sein kann, die Zeichen des Alterns zu akzeptieren und mit Freude auf die vielen Erfahrungen zurück zu blicken. Und Dinge hast Du sowieso schon zu viel. Frage Dich „Liebt mich wirklich niemand? Habe ich keine Freunde? Gibt es nichts, auf das ich mit Stolz zurückblicke? Gibt es nichts, was ich mit Freude noch lernen und machen möchte?“ Meist wirst Du gewahr, dass Du jederzeit einen guten Freund oder jemanden aus deiner Familie anrufen kannst. Dass es vieles gibt, was Dich ein ganz ein kleines bisschen Stolz macht (bei aller Bescheidenheit, versteht sich ;-)).

Also schließe deine Augen jeden Tag 10, 20, 30 Mal (natürlich nicht beim Autofahren…) und stelle Dir deine Tasse vor (natürlich auch gerne ein Füllhorn, wenn Dir das passender erscheint), wie sie dort bereits angefüllt vor dir steht. Sehe sie als das Symbol der Fülle und fülle dein Herz mit Dankbarkeit und schenke Dir selbst ein Lächeln.

Liebe & Licht
Martin

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